(c) Uni Graz / Radlinger

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Abrüstung oder Wiederaufrüstung Europas – wo stehen wir derzeit?

Nach aktuellen Angaben der UN existieren weltweit immer noch mehr als 12.000 Kernwaffen. Der Großteil der Sprengköpfe geht auf das Konto der Supermächte USA, Russland und China, aber auch andere Staaten besitzen land-, see-, oder luftgestützte Nuklearwaffen und modernisieren diese auch ständig. Eine atomwaffenfreie Welt scheint damit derzeit noch schwer denkbar, auch wenn mit dem Atomwaffenverbot eine völkerrechtliche Norm in Kraft ist.

Die UN-Abrüstungswoche findet seit 1978 jedes Jahr am 24. Oktober statt und soll als Warnung vor Militarisierung und Massenvernichtungswaffen verstanden werden. Der Friedensforscher und Mitherausgeber des Buches "Kritische Friedensforschung" Josef Mühlbauer spricht mit Raphael Webhofer zum Thema Abrüstung und die Rolle der Europäischen Union.

Nach aktuellen Angaben der UN existieren weltweit immer noch mehr als 12.000 Kernwaffen. Laut dem Stockholmer Friedensinstitut SIPRI hat Russland 5500, die USA 5200 und China rund 600 nukleare Sprengköpfe. Diese drei Supermächte halten somit über 80 % aller Atomwaffen in den Händen und haben das Potenzial, die Erde mehrfach zu zerstören. Laut dem US Strategic Command wird die nukleare Triade, das heißt land-, see- und luftgestützte Nuklearwaffen modernisiert. Russland modernisiert ebenfalls seine Triade und testet immer neue Hyperschallraketen. Rein objektiv haben wir also Rückschritte gemacht. Was positiv ist, ist jedoch, dass wir rein normativ und idealistisch betrachtet Fortschritte gemacht haben, nämlich das Atomwaffenverbot, haben wir als völkerrechtliche Norm in Kraft gesetzt.

... und die Rolle der EU?

Die Europäische Union ist von diesen Entwicklungen natürlich nicht unbetroffen. Die Kommission legte dieses Jahr mit „Rearm Europe Readiness 2030“ ein Paket vor, mit rund 800 Milliarden € für Verteidigung und Rüstung. Das bedeutet die Militarisierung hat auch Europa erreicht. Im April dieses Jahres wurde beschlossen, mit dem European Defense Fund Verteidigungs- und Forschungsprojekte mit der Einbindung ukrainischer Unternehmen zu entwickeln. Mit der Bedrohungswahrnehmung von Europa und mit dem Ziel einer strategischen Autonomie begann auch die Ära der Aufrüstung für Europa. In Österreich ist die Lage natürlich ähnlich. Das Verteidigungsetat wurde erhöht. Österreich plante den Erwerb von Langstrecken und Luftabwehrraketen unter Claudia Tanner und Österreich bestätigt auch die Teilnahme am „European Sky Shield“, also einem gemeinsamen Bodenluftabwehrraketenprojekt in Europa. Und darin will sich Österreich natürlich mit beteiligen. Und es ist ein schmaler Grat, ein Balanceakt zwischen der immerwährenden Neutralität, die auch im Grundgesetz verankert ist, und einer Bereitschaft, sich militärisch mehr in die NATO und in die europäischen Strukturen zu integrieren. Und in diesem Balanceakt manövrieren auch die Politiker, wobei die Tendenz in die Richtung von Auflösung und Hinterfragung der Neutralität geht. Nicht was die Bevölkerung betrifft, da sind die Umfragen eindeutig. 2/3 der österreichischen Bevölkerung ist für die immerwährende Neutralität, aber auf politischer Ebene finden wir einen Schwenk hin zu stärkeren Verteidigungs- und Rüstungsausgaben und natürlich auch die stärkere Einbindung in europäische und NATO-Armeestrukturen.