(c) Thomas Hude

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Vive l’Europe! #30 - Zur Rolle der Polizei im NS-Regime

80 let po koncu druge svetovne vojne v Evropi še vedno ostajajo teme, ki med grozo vojnega in povojnega obdobja niso bile dovolj podrobno raziskane. Danes se posvečamo poglavju, ki je bilo zgodovinsko premalo izpostavljeno, in sicer vlogi policije v nacionalsocialistični diktaturi. Nacistični sistem je temeljito reorganiziral policijo, kar je imelo daljnosežne posledice za njeno funkcijo v družbi. Heinz Pichler se pogovarja z Dieterjem Pohlom, profesorjem sodobne zgodovine.

Dieter Pohl, Professor für Zeitgeschichte, beleuchtet in dieser Reportage die zentrale Rolle der Polizei im NS-Regime. Sie war ursprünglich als Schutzorgan für die Bewohner gedacht, wurde jedoch schrittweise zu einem Instrument der Unterdrückung und Verfolgung umfunktioniert. Die enge Verknüpfung zwischen der Polizei und der SS[1] veränderte die Aufgaben der Polizei grundlegend und machte sie zu einem zentralen Akteur der nationalsozialistischen Verbrechen.

Na zasedenih ozemljih je policija prevzela aktivno vlogo pri izvajanju nacionalsocialistične ideologije. Osrednje naloge so bile izvajanje deportacij in umorov judovskega prebivalstva, politično preganjanje in gospodarsko izkoriščanje. Policija ni bila le izvrševalec, temveč tudi načrtovalec in koordinator teh zločinov. To pomeni, da policija v nacionalsocializmu ni bila več policija v klasičnem smislu.

Ganz entscheidend, und das macht eben den großen Unterschied der Polizei im Nationalsozialismus zu den Polizeistrukturen vorher und nachher aus, ist die enge Verklammerung der Polizei mit der SS. Das heißt, wenn wir über Polizei im Zweiten Weltkrieg sprechen, haben wir es eigentlich immer mit einer Doppelstruktur zu tun. Einerseits war ein erheblicher Teil der Polizeioffiziere SS-Mitglieder, auf der anderen Seite unterstand die ganze sogenannte deutsche Polizei dem Chef der SS, Heinrich Himmler. Und wir sehen diese Doppelung, beziehungsweise diese Verklammerung, noch sehr stark in den besetzten Gebieten. Die drei Kernbereiche dieses SS- und Polizeiapparats waren die Ordnungspolizei: Es ist eher die klassische, im Sprachgebrauch auch die „grüne“ Polizei, die sozusagen das Alltagsleben geregelt hat.

Der zweite Sektor ist das Zentrale für die NS-Polizei, die sogenannte Sicherheitspolizei. Die bestand einerseits aus der klassischen Kriminalpolizei, andererseits aber aus der Gestapo[2], also der der geheimen Staatspolizei, einer politischen Polizei, die ja ganz zentral ist, auch für die Verfolgung im Dritten Reich.

Auf der anderen Seite haben wir eine Verklammerung mit einem SS-spezifischen Bereich, nämlich dem Sicherheitsdienst der SS. Das war zunächst eine Art Parteigeheimdienst der NSDAP, also zur Überwachung der Bevölkerung und auch der Partei selbst, und wurde aber dann zunehmend mit exekutiven Funktionen versehen. Ein klassisches Beispiel ist Adolf Eichmann - kennen Sie alle - der kam aus dem SD, also einer reinen SS-Formation, und wechselte dann in die Gestapo. Das heißt, hier haben wir eben die Verbindung zwischen Ideologie, Polizei und Exekutive.

Während Polizeitätigkeit vor 1939 die klassische Kriminalitätsbekämpfung war, wurde diese zunehmend ein Instrument zur Bekämpfung politischer Gegner und der angeblich rassischen Gegner, also: die jüdische Bevölkerung, beispielsweise Sinti und Roma, aber auch sogenannte Asoziale, die zunehmend in den Fokus der Polizei rückten. Dies gilt vor für die besetzten Gebiete, kurz gefasst von der Atlantikküste bis Stalingrad und von Nord-Norwegen bis nach Süditalien. Die Polizeistruktur in den besetzten Gebieten war streng hierarchisch aufgebaut - Befehle und Berichte verliefen über die Zentrale in Berlin.

An den entscheidenden Posten saßen Männer der sogenannten Kriegsjugendgeneration. Es waren also all diejenigen, die eigentlich zu spät geboren worden sind, um noch im Ersten Weltkrieg eingezogen zu werden. Also vor allen Dingen die Jahrgänge 1900 bis 1910. Ernst Weinmann ist so ein Beispiel. Der war ja Gestapochef in Klagenfurt und dann eben entsprechend auch in Nordslowenien. Also hier haben wir es mit einem relativ homogenen, hochgradig ideologisierten Bereich zu tun, also im Grunde auch bereit, Massenmorde zu begehen und diese aktiv auch zu gestalten.

Das sieht bei der Ordnungspolizei, bei der Masse der sogenannten „grünen“ Polizei etwas anders aus. Bei der Ordnungspolizei haben wir vor allen Dingen das Offizierskorps, (es) war meistens in der SS integriert und entsprechend auch ideologisch aufgestellt. Die Masse der Männer sind ja als „ganz normale“ Männer (von Christopher Browning) bezeichnet worden. Kann man wohl so nicht ganz sagen, aber wir haben ganz unterschiedliche Leute: Laufbahnpolizisten, die seit Jahrzehnten in der Polizei waren. Wir haben auch Polizeireservisten, die sozusagen eine Art Ersatzpolizisten waren, also am Wochenende mal Polizeitraining hatten, dann aber eben in diese Einheiten hineingekommen sind. Also da haben wir ein deutlich breiteres Spektrum, als das in der Sicherheitspolizei der Fall war.

Aber wenn wir über Besatzungspolizei reden, müssen wir unbedingt auch über die einheimischen Polizeien reden. Es war klar, dass Deutsche und Österreicher zu wenig Personal hatten, um diese vielen Gebiete überhaupt polizeilich beherrschen zu können. Wir haben in allen besetzten Gebieten, mit einer Ausnahme: die annektierten Gebiete, vor allem in Westpolen, (hier) gab es keine einheimische Polizei - aber wir haben fast überall einheimische Polizei. Und je weiter Sie nach Osten kommen, desto größer war das Zahlenverhältnis zwischen einem deutschen Polizisten und den Einheimischen. Also wenn Sie in einen Landkreis in der Ukraine kommen, dann haben Sie einen deutschen Gendarm und 30 ukrainische Hilfspolizisten. Also hier haben wir natürlich einen Bereich, wo bis zu einer Million Männer für die Deutschen tätig waren. Diese Männer sind meistens aus der jeweiligen Vorkriegspolizei übernommen worden. Die Ausnahme war: die sowjetischen Gebiete. Hier fürchtete man, dass man sich Bolschewisten ins Boot holt. Nach aktueller Forschung stand sie in etwa 10% der Hilfspolizisten in der besetzten Sowjetunion, vorher in der Miliz gewesen. Diese Hilfspolizei war generell für die alltägliche Regelung der öffentlichen Ordnung, für Kriminalitätsbekämpfung zuständig, aber es gab überall auch einheimische politische Polizeien, also wenn man so will, eine einheimische Gestapo.

Diese hier erwähnte Hilfspolizei war nicht nur mit der täglichen Polizeiarbeit beschäftigt, sondern auch an den Massenverbrechen beteiligt. In Westeuropa vorwiegend bei den Deportationen, in Osteuropa aber auch bei den Erschießungen. Nun stellt sich die Frage: Was hat die deutsche Polizei – und sie war ja Deutsch, auch wenn Österreicher, Sudetendeutsche oder andere sogenannte Volksdeutsche beteiligt waren – in den besetzten Gebieten „betrieben“?

Das war eben in der Regel nicht klassische Polizeiarbeit, also nicht klassische Kriminalitätsbekämpfung. Bei Kapitalverbrechen hat auch die deutsche Kripo ermittelt. Es war präventive Widerstandsbekämpfung, wie ich das nennen würde: Die Kontrolle der Bevölkerung, dann natürlich die Beteiligung an Verfolgung und Massenmord, die Unterstützung der wirtschaftlichen Ausbeutung und die radikale Widerstandsbekämpfung.

Was meine ich mit präventiver Widerstandsbekämpfung? Sowohl beim Einmarsch in Polen 1939, als auch beim Einmarsch in die Sowjetunion wurde versucht, die Elite zu ermorden. Und das war in diesem Fall eine Polizeiaufgabe. Es gab die sogenannten Einsatzgruppen, die dafür zuständig waren, noch während der Kriegführung die gegnerischen Eliten auszuschalten. Wir haben eben 1939 vierzig Massenmorde an der sogenannten polnischen Intelligenz. Die meisten Tötungen richteten sich gegen Juden. Es sind auch bolschewistische Funktionäre hier umgebracht worden.

Zusätzlich zu diesem „präventiven Widerstand“ wollte das Regime wissen, was die Bevölkerung so treibt, was sie denkt. Und dazu wurde ein Kontrollnetz über die besetzten Gebiete ausgeworfen, das allerdings sehr grobmaschig gestrickt war, denn …

… zunächst war viel zu wenig Polizei in den besetzten Gebieten, um überhaupt eine Kontrolle auszuüben. Das zweite Problem war natürlich das Sprachproblem. Das heißt, in der Regel konnten deutsche Polizisten, österreichische Polizisten, keine Sprache außer Deutsch. Das heißt, man war sehr stark auf Einheimische, zum Teil auf sogenannte Volksdeutsche, angewiesen und man hat sich hier wie im Reich auf V-Leute, also regelmäßig beschäftigte Denunzianten und Einzeldenunziationen konzentriert. Grundsätzlich war die Gestapo vor allen Dingen relativ schlecht informiert über den einheimischen Widerstand. Das lässt sich relativ gut auch an neueren Studien zeigen.

Richten wir nun den Blick auf einen zentralen und historisch wesentlichen Bereich der Polizeitätigkeit: Die Beteiligung an den Massenmorden des NS-Regimes. Zu nennen ist zunächst die Deportation aus den annektierten Gebieten, dann der Riesenkomplex der Beteiligung an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung, aber auch anderer Verbrechen.

Ja, nach den ersten Verfolgungen in besetzten Gebieten, Gettoisierung, Enteignung, aber auch schon vielen Gewalttaten, beginnen dann im Sommer 1941 die Massenmorde in der Sowjetunion durch SS- und Polizeieinheiten und dann fast zeitgleich auch in Polen, das ja schon länger besetzt worden ist, hier bis zur Auflösung des letzten Gettos in Wutsch 1944. Hier haben wir es durchweg mit der Beteiligung von Polizisten an Gettoräumungen zu tun, aber auch an Massenerschießungen, Deportationen in die Vernichtungslager. In den restlichen Teilen Europas, Westeuropa, später auch Italien und Nordeuropa, war die Polizei vor allen Dingen an der Verhaftung und Deportation der jüdischen Bevölkerung beteiligt, die dann in die Vernichtungslager kam. Wir sehen beim Holocaust eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen der Besatzungsverwaltung der Wehrmacht und dem SS- und Polizeiapparat ganz anders als in vielen anderen Bereichen, wo dauernd gestritten worden ist um Kompetenzen.

Die Leitung hatte immer die Gestapo beziehungsweise die Sicherheitspolizei, die sozusagen die Mordaktionen vorbereitet, geplant und koordiniert hat. Die Ordnungspolizei hat die Gettos bewacht, zum Teil auch die Deportation bewacht. Wir sehen in sehr breitem Ausmaß die Beteiligung von Polizisten an den Massenerschießungen im östlichen Europa, also vor allem in Polen, Sowjetunion und Jugoslawien. Hier spielen die Polizeibataillone auch eine relativ bekannte Rolle.

Was wenig beachtet worden ist, lange: Dass wir sehr starke Beteilung einheimischer Polizei in Hilfsfunktionen bei diesen Verbrechen haben. Es sind aber auch direkte Morde durch einheimische Polizisten begangen worden, natürlich auf Befehl oder zumindest unter Deckung der deutschen Polizei. Die einheimische Polizei war vor allen Dingen in Westeuropa von zentraler Bedeutung, weil man hier sehr vorsichtig vorgegangen ist. Und es gibt so dieses klassische Beispiel Belgien. Und da war es so, dass der Polizeichef von Antwerpen sehr gut mit den Deutschen zusammengearbeitet hat. Die jüdische Bevölkerung in Antwerpen ist also komplett umgebracht worden, während der von Brüssel nicht mitarbeiten wollte und dadurch: Ein erheblicher Teil der Brüsseler Juden und Jüdinnen haben den Krieg überlebt. Und da sieht man eben, wie groß die Spielräume auch in Westeuropa waren. Und in Osteuropa, ich sage das schon, haben wir dieses Zahlenverhältnis sehr groß.

Neben bereits erwähnten Verbrechenskomplexen hat die Polizei auch die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Gebiete unterstützt, vor allem seien hier die Erntekampagnen in Polen und der Sowjetunion erwähnt, die …

 …zum Teil sehr brutal abgelaufen sind. Da sind Bauern, die nicht ausreichend abgeliefert haben, (sind) in Lager eingewiesen worden. Dann natürlich der große Komplex der Zwangsrekrutierung einheimischer Bevölkerung zur Arbeit im Reich, insbesondere aus der Ukraine. Auch hier war die Polizei federführend, auch hier übrigens in Zusammenarbeit mit der einheimischen Polizei. Es gab aber auch Zwangsarbeitsprojekte im besetzten Gebiet selbst. Etwa im Donbass war es beim Bergbau - da war ein erheblicher Teil der eingesetzten Männer - Zwangsarbeit. Und darüber hinaus dann eben auch die Sanktionierung jener, die angeblich nicht gut arbeiten würden. Das haben wir hier im Reich – Arbeitserziehungslager - aber eben auch in den besetzten Gebieten.

Und schließlich rückte, vor allem in den Jahren ab 1942, eine Kernaufgabe in den Mittelpunkt der Polizeiaktivitäten: Die radikale Widerstandbekämpfung im eigenen Land, aber auch in den besetzten Gebieten.

Ja, der Schwerpunkt der Polizeitätigkeit in den besetzten Gebieten verschob sich 1942, 1943 dann völlig auf die radikale Widerstandsbekämpfung. Das war die Hauptaufgabe der Polizei. Und hier, das gilt natürlich zum Teil schon für Slowenien oder die Sowjetunion ab 1941, aber das ist dann zunehmend außer deutscher Kontrolle geraten. Und hier haben wir natürlich eine Reihe von Razzien, Verhaftungen, Einzelerschießungen, aber auch die Einrichtung eigener Polizeilager, also jenseits der Konzentrationslager. Vor allen Dingen in Jugoslawien und der Sowjetunion haben wir ein sogenanntes Großunternehmen gestartet. Also kombiniert definierte Aktionen von Polizei, SS und Wehrmacht, ganze Gebiete zu säubern, in Anführungszeichen. Es wurden zahlreiche Repressalien-Massaker an der umliegenden Bevölkerung verübt. Und hier waren die Polizei-Bataillone, die dann seit 1943 in Regimente zusammengefasst waren, sehr eng beteiligt.

Wir haben eine sehr starke Veränderung der Polizeistruktur in Deutschland und Österreich. Die Polizei ist die zentrale Exekutive in den besetzten Gebieten, allerdings eben nur handlungsfähig in Zusammenarbeit mit den einheimischen Hilfs-Polizeien. Und sie betreibt eben keine klassische Polizeiarbeit mehr, sondern ist zuständig für Überwachung, Verfolgung und Massenmord. Und dabei ist auch die österreichische Polizei rückhaltlos im Grunde tätig gewesen. Es hat natürlich Ausreißer gegeben bei den Deutschen und bei den Österreichern, aber die überwiegende Mehrzahl der Polizisten hat da mitgemacht und damit ist die Polizei natürlich auch der zentrale Apparat für die NS-Verbrechen.

Raziskave jasno pokažejo, da je bila policija v času nacionalsocializma več kot le instrument reda in varnosti, pravi Dieter Pohl. Bila je osrednja sestavina represivnega aparata, ki je pomembno prispevala k uresničevanju nacionalsocialističnih zločinov. Ta spoznanja so pomembna za razumevanje mehanizmov totalitarnega režima in za učenje za prihodnost.

Diese Verbrechen der Polizei während der NS-Zeit wurden nach dem Krieg nur unzureichend geahndet Ein Großteil der beteiligten Polizisten wurde nicht zur Rechenschaft gezogen und konnte eine Karriere in der Nachkriegszeit nahtlos fortsetzen. Die fehlende Aufarbeitung ist als traurige Realität der Nachkriegszeit zu bewerten.

 

Kurzbiografie

Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl studierte Geschichte und Politikwissenschaft in München. 1995-2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter/Abteilungsleiter am Institut für Zeitgeschichte, 2007 Habilitation. Seit 2010 Professor für Zeitgeschichte an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er zählt zu den herausragenden Spezialisten für die Geschichte der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft und Gewaltverbrechen und ist Autor und Herausgeber zahlreicher bedeutender Werke zu diesem Thema.

 

Die hier veröffentlichten Auszüge wurden beim Vortrag „Die Polizei als Instrument der deutschen Besatzung“ vom 25. April 2025 in Klagenfurt im Kärnten Museum aufgenommen.

 

[1] Abk. für“Schutzstaffel“ - war eine nationalsozialistische Organisation in der Zeit des Nationalsozialismus (NS), die als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument diente. In ihren Verantwortungsbereich fielen ab 1934 Betrieb und Verwaltung von Konzentrations-, ab 1941 auch von Vernichtungslagern. Sie spielte sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung des Holocausts und anderer Völkermorde eine zentrale Rolle.

[2] Abk. für Geheime Staatspolizei - war die berüchtigte politische Polizei des NS-Regimes.